Gebäudeabschreibung: Weniger Hürden für den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer 

Grundsätzlich werden Gebäude im Steuerrecht, soweit sie Wohnzwecken dienen, pauschaliert über 50 Jahre abgeschrieben. Bei Gebäuden, die nicht für Wohnzwecke vermietet werden und sich im Betriebsvermögen befinden, erfolgt eine pauschalierte Abschreibung über 33 Jahre. Bei jedem vollentgeltlichen Eigentümerwechsel beginnt die Abschreibungsdauer aufs Neue.

Es bestand und besteht für Immobilieninvestoren dabei stets die Möglichkeit, Gebäude schneller und mit höheren Beträgen von der Steuer abzusetzen, wenn sie eine kürzere Nutzungsdauer nachweisen.

An den Nachweis stellte die Finanzverwaltung jedoch hohe Hürden, indem sie ein Bausubstanzgutachten im Sinne des sog. ERAB-Verfahrens (Verfahrens zur Ermittlung des Abnutzungsvorrats von Baustoffen) forderte, sodass in der Praxis der Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer selten angestrebt wurde. Dies könnte sich durch ein Urteil des Bundesfinanzhofs (Az. IX R 25/19) nun geändert haben.

Der Bundesfinanzhof hatte zu entscheiden, welche Anforderungen an den Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer eines Gebäudes zu stellen sind und hat dabei deutlich gemacht, dass es jedenfalls keines Bausubstanzgutachtens im Sinne des ERAB-Verfahrens bedarf und dass an den Nachweis im Übrigen keine „zu hohen“ Anforderungen gestellt werden dürfen.

Der Steuerpflichtige kann sich zur Darstellung der verkürzten Nutzungsdauer vielmehr „jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint.“ Entsprechend können Steuerpflichtige mit Hilfe eines Grundstücksgutachters die am jeweiligen Kaufzeitpunkt maßgebliche Restnutzungsdauer anhand der ImmoWertV 2021 ermitteln.

Das Urteil des BFH ist ein Meilenstein für den Nachweis einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer, insbesondere bei Objekten, deren ursprüngliches Baujahr deutlich mehr als 30 Jahre zurückliegt und bei denen bisher nur wenige Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden und nur wenige anschaffungsnahe Herstellungskosten einzubeziehen sind.

Dies hatte auch der Gesetzgeber erkannt, welcher den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2022 zunächst streichen wollte. Letztendlich wurde die Vorschrift doch beibehalten.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mittlerweile mit Schreiben vom 22. Februar 2023 auf die neue Rechtsprechung reagiert und hält zumindest ein Bausubstanzgutachten im Sinne des ERAB-Verfahrens für nicht mehr zwingend erforderlich.

Die bloße Übernahme einer Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten ist jedoch zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer aus Sicht des BMF nicht geeignet. Der Zweck eines Gutachtens muss sich vielmehr ausdrücklich auf den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer richten, um von der Finanzverwaltung anerkannt zu werden.

Fazit:

Die Hürden zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer haben sich erfreulicherweise verringert. Die Finanzverwaltung folgt der Rechtsprechung des BFH jedoch nicht vollumfänglich, sodass es weiterhin zu Diskussionen bezüglich des korrekten Nachweises einer kürzeren Nutzungsdauer kommen wird.

Inwiefern es tatsächlich Sinn macht, die kürzere Nutzungsdauer nachzuweisen, ist weiterhin abhängig vom individuell zu prüfenden Einzelfall.

Kontaktieren Sie gerne Sören Rienhöfer für ein klärendes Beratungsgespräch.

 

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